Besser spät als gar nicht

Große Pläne hatte ich für 2010: Arbeiten wie verrückt von Januar bis Juli und anschließend eine Auszeit von August bis Dezember, so stellte ich mir den Verlauf des Jahres vor. Der Job an der Hochschule gibt mir alle vier Jahre die Möglichkeit solch einer Auszeit in Form eines Freisemesters und nach 28 Semestern Lehrtätigkeit wollte ich diese Möglichkeit nun endlich auch einmal nutzen. In der so gewonnenen freien Zeit war ein längerer Aufenthalt in Australien oder Neuseeland vorgesehen, um an einer dortigen Hochschule zu unterrichten und zu einem Thema aus der Immobilienwirtschaft, das mich schon seit Jahren beschäftigte, zu forschen. Selbstverständlich wollte ich wieder einmal mehrere Fliegen mit einer Klappe erledigen: Neue Hochschulkontakte knüpfen, Englischkenntnisse aufbessern, neue fachliche Impulse aufnehmen und, nicht ganz unwichtig, durch meine Lehrtätigkeit sollte das arg strapazierte Budget aufgebessert und die Reisekasse gefüllt werden.

Tja, so weit die Planung. Die Realität entwickelte sich wie immer völlig unbeeindruckt von diesen Vorstellungen und so stand ich Mitte Juni ziemlich ausgepowert und mit leeren Händen da: Das Forschungsthema musste einem Hinweis der zuständigen Hochschulkommission folgend geändert werden, eine vorgesehene Vertretung kam letztendlich doch nicht zu Stande, neue Kontakte zu Hochschulen in Übersee standen nicht mehr auf der Wunschliste des Fachbereichs bzw. unserer Partnerhochschulen und eine befristete Lehrtätigkeit in Australien oder Neuseeland wäre zwar für zwei oder drei Jahre, nicht jedoch für ein halbes Jahr möglich gewesen. Dumm gelaufen.

Und wie soll es nun weiter gehen? Ich liege an meinem bevorzugten Badesee und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen. Links neben mir quatschen Karsten und Günther über die Erlebnisse am vergangenen Wochenende, rechts reckt Katarina, wie immer in Begleitung ihrer Lebensgefährtin, zwei beeindruckende Brüste gen Himmel, wie um den Sonnengott zu bestechen und zu noch mehr Sonnenschein zu motivieren. Vor mir liegt Paul, der gerade von der Frühschicht gekommen ist und nun sein Mittagsschläfchen nachholt. Der See, der nach sechs Wochen subtropischen Sommerwetters auch subtropische Temperaturen erreicht hat und keine echte Erfrischung mehr verspricht, glänzt träge in der Nachmittagssonne. Es ist mal wieder so heiß, dass selbst die üblichen Spanner mit ihren Kamerahandys zu Hause geblieben sind. Lediglich einige Jugendliche mit Migrationshintergrund schlurfen bedächtig über den hinter uns liegenden Uferweg und wagen gierige Blicke auf Katarinas Riesentitten. Über allem plärrt Karstens Batterie-Radio-Taschenrechner-Multifunktionsgerät und versorgt den näheren Umkreis mit den Hits der 70er, 80er, 90er und dem Besten von heute. Kurzum, es ist wie in jedem Sommer, als sei die Zeit in der lähmenden Hitze stehen geblieben. Eine sich endlos wiederholende Zeitschleife, in der das Leben am See eingefangen ist? Immer wieder gleich? The same procedure as last year?

Ja, genau das ist es: The same procedure as every year! Weg von hier, mit Zelt und Bike nach Süden, bevor ich in dieser Zeitschleife verblöde und vor lauter Trägheit so fett werde wie Karsten, Paul und Katarina. Auch Wuffel lässt sich von der Aussicht auf eine Radtour nach Süden begeistern und begräbt spontan alle Pläne, die sie schon für den Sommer geschmiedet hatte. Allerdings gibt es noch ein zeitliches Problem bei mir, da ich Ende Juli ein Seminar in München leiten muss, und wir einigen uns darauf, in diesem Jahr nicht in Oldenburg, sondern direkt nach dem Seminar in München zu starten.

Für die Vorbereitung der Tour bleibt uns nicht allzu viel Zeit, aber rechtzeitig vor dem Start ist dann alles geregelt: Alle Verschleißteile an unseren Bikes sind erneuert, die Ausrüstung ist gecheckt, das Zelt frisch imprägniert und alle zeitkritischen Aufgaben im Büro erledigt. Pauli will uns in München Gesellschaft leisten und so fahren wir an einem verregneten Juliabend zu dritt in einem voll bepackten Leih-Kombi nach München.

Auf ein konkretes Tourziel haben wir uns nicht festgelegt. Wuffel schwärmt nach wie vor von der Schweiz, aber auch Italien wäre OK. Wir werden also jeden Tag von Neuem entscheiden, wohin uns die Reise führt.