10. Tag (Dienstag, 3.08.): Tanas

Die Nacht war nicht wirklich entspannend und beruhigend und so bleiben wir am Morgen wesentlich länger als üblich in unseren Schlafsäcken. Warum auch aufstehen? Schließlich sind wir im Urlaub und haben bis zur Rückreise noch ausreichend Zeit. Ein Blick aus dem Zelt zeigt zudem grauen Himmel mit einigen Auflockerungen, die Berge sind in Wolken gehüllt und es ist ziemlich kühl. Die Kaltfront hat uns also erreicht! Am späten Vormittag begrüßt uns dann auch der angekündigte Föhnwind, der vom Reschenpass in Böen heftig an unserem Zelt wackelt und auch schon mal eine Befestigung aus dem steinigen Boden reißt. Glücklicherweise haben wir das Zelt an einem nahen Baum angebunden, so dass nichts passieren kann.

Wuffel hat keine Lust auf körperliche Aktivitäten und so schwinge ich mich am Nachmittag auf mein Bike, um alleine eine kleine Tour zu fahren. Ziellos fahre ich zunächst nach Spondinig und lasse mich dort am Bahnhof von Tourenvorschlägen für Biker inspirieren. Ich suche mir die Strecke nach Tanas aus, die mit "technisch einfach" und "mittlere Kondition" gekennzeichnet ist, das richtige für eine entspannende Nachmittagsrunde also. Im nächsten Ort überkommt mich dann aber der Übermut und ich verlasse die vorgeschlagene Route. Die "Via Tanas" erscheint mir eine geeignete Abkürzung nach Tanas zu sein, auch wenn diese kleine Straße als Sackgasse ausgeschildert ist. Zunächst geht es auf einem asphaltierten Weg steil hinauf, kein Problem. Dann verfranse ich mich jedoch in einer Apfelplantage, finde aber nach einem kreuz-und-quer Kurs durch die Apfelbäume den Weg wieder, diesmal jedoch als geschotterten Fahrweg. Wenn ich die Wegweiser für Wanderer richtig deute, befinde ich mich auf dem Vernatschsteig, einem schweißtreibenden Weg durch Kiefernwälder, der sich bei erheblicher Steigung schnell am Hang in die Höhe windet.

Nach 300 Höhenmetern passiere ich ein Hofgelände und danach geht es noch steiler hinauf nach Tanas. Streckenweise ist es so steil, dass ich das Bike schieben muss. Für meine Mühen werde ich jedoch durch phantastische Ausblicke auf das Etschtal und den Ortler entschädigt. Die Kirche "Herz Jesu" am Ortsrand von Tanas ist leider verschlossen und so geht es weiter in Richtung Schluderns, ausgeschildert als Wanderweg. Und tatsächlich: Es ist ein Wanderweg, oder, wie eingefleischte Mountainbiker sagen würden, ein Single-Trail, der durchaus einige Schwierigkeiten und Überraschungen bereit hält.

Ich kann nicht umhin, aber beim Ortsnamen "Schluderns" muss ich permanent an Torfrock denken: "Hier wird gerudert, und nicht geschludert", ist die Devise der Wikinger in Haitabu, bei denen auch eine gewisse Renate gemeldet war. Nach ja, ob die wohl jemals in Schluderns waren?

Die nächste Kirche auf dem Weg, "St. Peter", ist ebenfalls verschlossen. Vor dem Bau von "Herz Jesu" in Tanas war "St. Peter" die Dorfkirche von Tanas. Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Bauern von Tanas im Winter bei Eis und Schnee zur Messe nach "St. Peter" gerutscht und gestolpert sind. Aber für eine ordentliche christliche Messe ist sicherlich kein Aufwand zu groß. "St. Peter" ist der zweite Versuch, an dieser Stelle eine Kirche zu errichten. Der erste Versuch ist als Ruine etwas weiter unterhalb zu erkennen, offensichtlich waren Steinschlag und Erdrutsche stärker als der päpstliche Segen.

Weiter geht es in Richtung Schluderns. Nach einigen Hundert Metern wird der Wanderweg zum geschotterten Fahrweg, einige Kilometer weiter sogar zur asphaltierten Straße. Die Beschilderung verrät: Ganz klar, ich bin auf dem offiziellen Radweg angekommen. Wie im Fluge geht es nun hinab nach Schluderns und dann auf dem Etschtalradweg zurück nach Prad.

Wuffel erwartet mich schon hungrig und wir beschließen, in der nahen Pizzeria "Sandheim" etwas Nahrhaftes zu uns zu nehmen. Leider ist dort am Dienstag Ruhetag und so besteht das Abendessen aus Brot, Käse und Rotwein. Auch nicht schlecht, finde ich.