15. Tag (Sonntag, 8.08.): Kalterer See – Torbole 

Südtirol ist in vielerlei Hinsicht "Italien für Anfänger": Man spricht Deutsch, alles ist ordentlich und organisiert, die Mentalität der Einheimischen ist eher nordeuropäisch als mediterran (sie bezeichnen sich auch nicht unbedingt als "Italiener"...), Stehklos sind nur selten anzutreffen und das Leben findet bei normaler Lautstärke statt. Ob es sich um das "echte" Italien, oder aber nur um das "Italien für Anfänger" handelt, zeigt sich am Preis für einen Espresso, dem "Espresso-Indikator". Hier das nicht repräsentative Ergebnis auf unserer Reise in Richtung Süden:

Südtirol: 1,20 Euro.

Kaltern: 1,00 Euro.

Torbole: 0,90 Euro.

Oldenburg (nur als Vergleich): 1,60 Euro

Noch weiter im Süden wird es möglicherweise noch günstiger, was jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung war. Der Preistest wurde jeweils auf einem Campingplatz durchgeführt und die beiden Testpersonen nahmen freiwillig und völlig unvoreingenommen an diesem Test teil. Die Qualität des Espressos war in jedem Fall ausgezeichnet, d.h. eine Mikrotasse war bis zur Hälfte mit einer zähflüssigen, heißen Substanz gefüllt, die nach dem Genuss zu spontaner Stimmungsverbesserung und Anregung des Kreislaufs, eventuell sogar der Verdauung führt. Die "echten" Italiener lieben dieses Zeug und können zu keiner Tages-  und Nachtzeit darauf verzichten. Die nur im "echten" Italien konstante Auslastung der sündhaft teuren Espressomaschinen hilft dabei, den Preis niedrig zu halten. So lässt sich am Espresso-Indikator feststellen, wie "italienisch" das Reiseziel wirklich ist: Je höher der Indikator bzw. der Preis, desto weniger handelt es sich um das "echte" Italien.

Mit solchen Überlegungen vertreibe ich mir die Zeit, während ich auf dem Etschtalradweg flussabwärts radle und die Landschaft mit Apfelplantagen und Weingärten an mir vorbeiziehen lasse. Wir sind eigentlich viel zu spät gestartet, aber wir haben Glück, denn der gnadenlose Talwind, der bei sonnigem Wetter spätestens um Mittag an Stärke zunimmt, hält sich heute aufgrund der Bewölkung bis zum frühen Nachmittag zurück. So können wir ohne große Anstrengungen ein Tempo von über 20 km/h fahren und laufen bei mäßigen 27 Grad dabei auch nicht in Gefahr, einen Hitzekoller zu erleiden.

Wuffels Hinterrad habe ich heute morgen so gut es geht repariert und bis auf einen leichten Seitenschlag scheint alles OK. Allerdings haben wir nicht genug gefrühstückt und auch nicht genug Lebensmittel an Bord, so dass wir am "Bici-Grill" direkt an der Strecke in Nomi, einem kleinen Nest zwischen Trento und Rovereto, einkehren und uns eine Kleinigkeit gegen Hunger und Durst gönnen. Nach dieser Stärkung ist die Reststrecke schnell bewältigt und der Passo San Giacomo kurz vor Nago ist mit seiner unglaublichen Passhöhe von 287 Metern eine echte Lachnummer. Wir sind also fröhlich.

Auf "unserem" Campingplatz "Al Porto" in Torbole finden wir noch einen Restplatz auf der Zeltwiese, die ziemlich gut belegt ist. Wir bauen das Zelt auf und fühlen uns sofort heimisch, denn die Erinnerung aus dem vergangenen Jahr ist noch präsent und zudem sind Campinggäste anwesend, die wir noch vom Vorjahr kennen. Es war den ganzen Tag meine Befürchtung, dass wir auf unserem "Wunsch-Camping" keinen Platz finden, aber nun ist alles bestens. Wir freuen uns riesig, beglückwünschen uns gegenseitig zum Erreichen des Tourziels und verziehen uns in die benachbarte Pizzeria, um einige Kalorien aufzunehmen. Es ist übrigens unglaublich: Wuffel hasst eigentlich Tomaten und bestellt sich als Vorspeise Bruschetta, die sie mit größtem Genuss verzehrt! Luftveränderung? Umstellung der Geschmacksnerven auf den Italienmodus? Oder was sonst?

Camping Al Porto (Campingwertung: **** subjektiv, * offiziell), 6,00 Euro für ein kleines Zelt auf der Zeltwiese, 7,80 Euro pro Person, gesamt 21,60 Euro, was eine Preissteigerung gegenüber 2009 von 60 Cent bedeutet. Der Platz ist am Gardasee ein echtes Highlight, da er meines Wissens als einziger Platz am nördlichen Seeufer über eine Zeltwiese verfügt. Unverständlich ist für mich die offizielle Bewertung mit nur einem *, weiß der Geier, welche Kriterien da eine Rolle gespielt haben. (Link)