17. Tag (Dienstag, 10.08.): Lago di Ledro 

Auf der Zeltwiese sind einige Gäste abgereist und so ist ein Schattenplatz frei geworden. Kurzerhand schnappen wir uns das Zelt und verschieben es unter eine hohe und dichte Kiefer, denn dieser Platz verspricht zwei Vorteile: Erstens werden wir nicht mehr durch die Sonne aufgeheizt und zweitens bietet die Kiefer einen hervorragenden Schutz bei Unwettern, Hagel und Starkregen. Einziger Nachteil: Im Baum sitzende Vögel könnten uns im wahrsten Sinne des Wortes zuscheißen. Aber warten wir mal ab.

Wuffel ist zunehmend unruhig und unzufrieden. Wir analysieren die Ursache und der Befund lautet: Körperliche Unterforderung. Onkel Doktor verordnet deshalb Folgendes: Die Ponale hinauf und weiter bis zum Ledrosee. Nach anfänglichem Zaudern stimmt die Patientin dieser Therapie zu und so bewegen wir uns zur wärmsten Zeit des Tages mit unseren Bikes diese absolute Traum- und Lieblingsstrecke hinauf.

Die Ponale, also die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute und bis 1990 für den Straßenverkehr genutzte Verbindung von Riva ins Ledrotal, besticht wieder einmal durch grandiose Ausblicke, obwohl es etwas diesig ist und die Fernsicht besser sein könnte. Welch ein Glück, dass sich nach einigem Hin- und Her die verantwortlichen Politiker dazu entschließen konnten, diesen Magneten des Bike-Tourismus nicht verfallen zu lassen, sondern zu erhalten. Danach sah es bei meinem ersten Besuch am Gardasee zum Ende der 90er Jahre zunächst jedoch nicht aus: Nach mehreren Hangrutschen und Gesteinsabgängen war die Straße zwischen Riva und der Brücke nach Pregasina teilweise schwer beschädigt und an einer Stelle sogar zur Hälfte weggebrochen. Aus Sicherheitsgründen war deshalb die Zufahrt durch ein Gitter am ersten Tunnel versperrt. Allerdings hatte die Polizei die zahlreichen begeisterten Biker nicht bedacht, die auf eine Ponalefahrt nicht verzichten wollten und deshalb mit Eisensäge und Bolzenschneider bewaffnet regelmäßig die Absperrung öffneten. Das Spielchen nahm teilweise groteske Züge an und ich entsinne mich an eine Fahrt von Pregasina nach Riva, an deren Ende (also kurz vor Riva) ich dann mit einer Gruppe anderer Biker vor einem gerade frisch verschlossenen Absperrgitter stand und mich zwischen Pest und Cholera entscheiden musste: Entweder wieder zurück ins Ledrotal und dann durch den für Biker gesperrten Straßentunnel, oder die Absperrung aufbrechen. Da keiner der anwesenden Biker entsprechendes Werkzeug dabei hatte, war erst einmal Warten angesagt. Und tatsächlich erschien nach kurzer Zeit eine gut ausgerüstete Gruppe von radelnden "Handwerkern" aus Riva, die die freie Fahrt auf der Ponale wieder herstellte. Unter diesen Umständen war die Sicherung und Befestigung der Strecke eine sinnvolle Maßnahme, denn früher oder später wären Biker mit der desolaten Straße ins Tal gerutscht, es hätte einen lauten Aufschrei gegeben und der ein oder andere Politiker hätte seinen Posten verloren. Seit 2004 ist die Ponale nun wieder frei und wir können das kritische Teilstück vom ersten Tunnel bei Riva bis zur Ruine des Ausflugslokals "Belvedere" auf einer verhältnismäßig gut gesicherten Schotterpiste befahren.

Wir scheinen beide recht gut in Form zu sein, denn wir bewältigen die Strecke zwar unter Entwicklung von reichlich Schweiß, aber mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit und erreichen den Ledrosee gerade rechtzeitig zum Beginn des 3-Uhr-Regens. Die Liegewiese von Molina di Ledro ist gut belegt und mit einsetzendem Regen wird es hektisch: Die meisten Besucher versuchen, schnell einen Platz unter einem der Bäume zu ergattern, und so rennen alle durcheinander. Die richtig coolen Typen lassen sich jedoch nicht irritieren und gehen erst einmal schwimmen oder spielen im Regen einfach weiter Volleyball. Wir sind nicht cool und suchen uns einen Baum.

So hatten wir uns die Abkühlung nun nicht vorgestellt. Aber egal, beim 3-Uhr-Regen handelt es sich heute um einen zeitlich begrenzten Regenschauer und als sich die Sonne wieder blicken lässt, stürzen wir uns dann doch noch in die erfrischenden Fluten, die merklich kühler sind als der Gardasee. Regen am Ledrosee ist nicht außergewöhnlich, denn das Val di Ledro scheint ein echtes Regenloch zu sein. Astrid und Eckhard, die hier vor Jahren einmal ihren Sommerurlaub verbrachten, berichteten vom täglichen Regen am frühen Nachmittag, also dem 3-Uhr-Regen, der entweder schnell vorbei ist, oder sich bis zum nächsten Morgen zieht. Wetter und Wassertemperatur erinnern also eher an die Nordsee, trotzdem ist es hier oben sehr schön und wir genehmigen uns in der Strandbar einen kleinen Snack, um für die Rückfahrt gestärkt zu sein. Über dem Tremalzo kündigt sich schon der nächste Regen (der 4-Uhr-Regen?) mit Blitz und Donner an und so sehen wir zu, schnell wieder ins Tal des Gardasees zu gelangen. Die Wettervorhersage sprach von einer 11 %igen Regenwahrscheinlichkeit und wir kommen zu der Überzeugung, dass 11 % sehr wahrscheinlich sein können.