21. Tag (Samstag, 14.08.): Ponale 

Wie erhofft scheint bereits am frühen Morgen die Sonne vom tief dunkelblauen Himmel. Richtiges Italienwetter? Ich traue dem Braten nicht und schmeiße nach dem Einkaufen erst einmal das Internet an. Was ich dort sehe, verführt mich nicht zum Frohlocken: Über dem Golf von Genua hat sich mal wieder ein Tiefdruckgebiet breit gemacht, das Genua-Tief, und schickt sich an, Nord- und Mittelitalien mit Wolken, Regen und Gewittern zu versorgen. Zwei riesige Gewitterzellen sind auf dem Wolkenbild zu erkennen, die uns voraussichtlich aber erst am Nachmittag erreichen werden. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis? Wuffel wecken, frühstücken, bis Mittag unterwegs sein und den Nachmittag regensicher verbringen.

Wuffel lässt sich zwar wecken, ist aber ein wenig gereizt, denn die vergangene Nacht war für sie nur sehr kurz. Bis vier Uhr in der Früh hat sie mit den zwei Motorradfahrern aus dem Nachbarzelt zusammen gesessen und gelacht und nun ist sie selbstverständlich noch etwas angeschlagen. Sie findet meinen Vorschlag, die wenigen trockenen Stunden für eine kleine Bergfahrt zu nutzen, jedoch durchaus gut und so begeben wir uns nach dem Frühstück auf den Weg in Richtung Riva, um noch einmal unsere Lieblingsstrecke, die Ponale, zu fahren.

Wir kurven ein wenig durch die Innenstadt von Riva und freuen uns über historische Bauten, verwinkelte Gassen und prachtvolle Plätze. Dabei fällt mir die "Piazza 3 Novembre" auf und ich komme ins Grübeln: "Was ist das Besondere am 3. November?" Das Ende des Sommers? Nein, denn auch am Gardasee wird der Sommer irgendwann im September durch den Herbst abgelöst und das Ende eines Sommers ist kein Grund zum Feiern. Nationalfeiertag? Nein, denn das ist der 2. Juni, der Tag der Gründung der Republik. Ausbruch irgend eines Krieges? Nein, denn der erste Weltkrieg begann für Italien mit der Kriegserklärung an Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915, der zweite Weltkrieg mit der Kriegserklärung an Großbritannien und Frankreich am 10. Juni 1940. Und überhaupt, wer feiert denn schon den Ausbruch eines Krieges? Kriegsende? Ah ja: Der erste Weltkrieg endete für Italien am 4. November 1918 und bereits einen Tag vorher, also am 3. November, wurde Riva del Garda von der mehr als 100 Jahre währenden Herrschaft Österreich-Ungarns befreit. Der 3. November ist also quasi ein lokaler Unabhängigkeitstag, der mit der Benennung dieses Platzes in Erinnerung bleiben soll. Der erste Weltkrieg begegnet jedem, der hier mit halbwegs offenen Augen durch die Gegend fährt, auf Schritt und Tritt.

Am Ufer in Riva begutachten wir die aktuelle Wetterlage mit einem Blick über den See in Richtung Süden und kommen zu der Überzeugung, dass wir noch eine kleine Tour ohne Regen fahren können. Es geht also hinauf bis zum Ende des Straßentunnels von Riva in das Val di Ledro, dann wieder zurück bis zum Abzweig nach Pregasina, noch einmal hinauf bis zum Ende des Straßentunnels vom Val di Ledro nach Pregasina und wieder zurück nach Riva. Es ist mit 21 Grad nicht besonders warm, aber wegen der hohen Luftfeuchtigkeit kommen wir beide ganz schön in Schweiß. Die Anstiege nehmen wir zunehmend flotter und die Abfahrten werden auch auf schwierigem Schotter immer eleganter und schneller. Ein deutlicher Trainingserfolg ist insbesondere bei Wuffel festzustellen, denn vor drei Wochen hätte sie so eine Tour nur mit wesentlich mehr Mühe geschafft.

Heute ist für mich übrigens ein trauriger Tag, denn beim Ankleiden am Morgen sind mir meine schon ziemlich mürben Radshorts so weit zerrissen, dass ich sie nicht mehr anziehen kann. Die linke Pohälfte liegt nun völlig frei und damit erfüllt die Hose eine ihrer Basisfunktionen, nämlich den Schutz vor neugierigen Blicken nicht mehr. Es hilft also nichts, ich brauche neue Shorts, und zwar sofort. Wir nutzen deshalb den Rückweg durch die Innenstadt von Riva für einen kleinen Einkaufsbummel. Dies ist ganz und gar nicht gegen den Willen von Wuffel, die bei dieser Gelegenheit ein ziemlich ausgefallenes Kleid im 5-Euro-Shop ersteht. Aber dann müssen wir uns doch noch sputen, denn es beginnt schon leicht zu tröpfeln und kurz nach unserer Rückkehr auf dem Campingplatz setzt kräftiger Regen ein. Wir sind froh, die Zeit für eine kleine Tour genutzt zu haben und genehmigen uns zur Belohnung einen Espresso in der Campingbar.

Der Nachmittag fällt buchstäblich ins Wasser und wir vertreiben uns die Zeit mit chillen, schreiben und chatten. Für morgen ist sonniges Wetter angekündigt, hoffentlich hat sich da niemand versehen. Und wenn wirklich die Sonne scheint geht es hinauf in die Berge, der Tremalzo will noch gefahren werden.