Die Sonne scheint schon früh vom wolkenlosen Himmel und ich muss mich entscheiden: Entweder eine Tour auf den Monte Baldo, oder einen Tag am Strand. Ich bin echt unschlüssig, während Wuffel ohne Zaudern dem Strand den Vorzug gibt. So hampel ich am Vormittag ein bisschen herum, schreibe im Tagebuch und reinige die Regenplane, die von einigen im Baum über uns schlafenden Vögeln jede Nacht regelrecht zugeschissen wird. Und da die Regenplane gleichzeitig auch die Liegeunterlage für den Kiesstrand ist, führt zur Vorbereitung eines Strandbesuchs an der Reinigung kein Weg vorbei.
Bei dieser Gelegenheit denken wir auch über die Zukunft unseres Zeltes nach. Wir mögen die Raumaufteilung mit zwei Innenkabinen und einem freien Platz (die "Küche") in der Mitte. Aber leider ist es nicht regendicht, die Mückennetze in den Innenzelten sind schon ziemlich löchrig, die Aufhängung der Innenzelte ist teilweise beschädigt und es ist an allen Stellen, die nicht von der Regenplane bedeckt wurden, mit Vogelkot bedeckt. Wir diskutieren also ernsthaft darüber, das Zelt in Italien zu lassen und uns für eventuelle zukünftige Touren einen neuen, wirkungsvolleren Witterungsschutz anzuschaffen.
Am Mittag gehe ich mit Wuffel erst einmal an den Strand, ein bisschen Sonne kann ja nicht schaden. Dort ist es ziemlich voll, denn die Ora bläst mit voller Kraft und lockt alle Surfer aus ihren Löchern. In der Sonne liegend lasse ich mich schnell vom diffusen Stimmengewirr und vom Wind einlullen und so ist es für eine Tour auf den Monte Baldo schnell zu spät.
Um uns herum liegt bei näherem Hinsehen der halbe Campingplatz: Eine der "dunklen Schwestern" hat sich zu der "Blonden mit den Hupen" und ihren beiden Freundinnen gelegt. Dazu haben sich einige Boys von der Zeltwiese gesellt, die lässig in zwei kleinen Schlauchbooten chillen. "Die Familie" ist ebenfalls da und die vollschlanken Frauen lassen ihren Speck in der Sonne braten. Ein paar ältere Surfer vom Campingplatz erzählen sich Geschichten von früher und tauschen Details zu den Windverhältnissen auf dem See aus. Die Tschechen von nebenan sind mit vollem Surfequipment dabei, selbst für die beiden Kleinen gibt es einen passenden Neoprenanzug. Leider klemmt der Vater seinem Sohn ein Stück vom Rücken mit dem Reißverschluss des Anzugs ein, was wohl ziemlich schmerzhaft ist und zu einer längeren Heulaktion führt. Kurzum: Das pralle Leben, direkt um uns herum.
Dies ist nun unser letzter Tag und wir begeben uns zum späten Nachmittag noch einmal auf die Ponale, um gemütlich herumzufahren, die Ausblicke zu genießen und auf der Abfahrt ein bisschen mit dem Bike herumzuspielen. Auf der Brücke am Abzweig nach Pregasina fällt uns ein, dass wir noch erkunden wollten, wohin der Weg führt, der sich hinter einer verschlossenen Gittertür direkt neben der Brücke in das Tal hinunter windet. Schnell haben wir die Bikes abgestellt und, sportlich wie wir nun mal sind, die Gittertür überwunden. Wir finden uns auf einem gesicherten Steig wieder, der uns unter Felsvorsprüngen hindurch, über in den Stein gehauene Treppen und durch eine üppig wuchernde Vegetation mit großen Farnen zu einem kleinen Haus führt. Dort wird aus dem Ponale-Gewässer mit einem dicken Rohr Wasser entnommen, keine Ahnung, wofür. Die Szene ist ein bisschen schaurig, denn das Tal ist hier sehr eng, tief und schummrig, weil nur wenig Tageslicht seinen Weg herunter findet. Wuffel phantasiert schon von halb verwesten Leichen in blauen Müllsäcken und es wird Zeit, diesen leicht unheimlichen Ort zu verlassen.
Das Programm für den Restabend: Einkaufen, Fahrräder waschen, uns selbst waschen und gesellschaftsfähig herausputzen, noch einmal diese phantastische Bruschetta und eine Mega-Pizza essen gehen, einen kurzen Besuch beim Gratiskonzert einer irischen Band namens "The Willing Fools" und dann ein Besuch in Wind's Bar, einem der drei abendlichen Treffpunkte in Torbole. Dort gibt es alkoholische Mischgetränke, die Feierabend-Cohiba und einen Besuch im Untergeschoss, wo sich hauptsächlich minderjähriges Volk zu lauter Musik vergnügt. Um ein Uhr verziehe ich mich ins Zelt, aber Wuffel möchte noch etwas für die sozialen Kontakte tun und bleibt.
Ich bin durchaus angeschickert und so entgeht mir der Fehler in der folgenden Überlegung: Der Campingplatz ist des Nachts ein Hochsicherheitstrakt, denn alle Zugänge zu dem umzäunten Gelände sind verschlossen und lassen sich nur mit einer Magnetkarte öffnen. Wir haben eine dieser Magnetkarten und sie befindet sich bei mir in der Tasche. Kein Problem für mich, aber wie kommt Wuffel zu späterer Stunde auf den Camping? Ich denke mir, dass sie für den Rückweg jemanden mit einer Magnetkarte finden wird oder mich einfach anruft. Vorsichtshalber lasse ich deshalb mein Handy eingeschaltet. Dieser Gedankengang scheint ja soweit sehr vernünftig und logisch zu sein, enthält aber, wie ich am nächsten Morgen feststellen werde, einen Fehler...